Emil
Emil ist charmant, hoch sensibel, kann alleine bleiben und fährt in unserem Bus mit, allerdings nicht gerne. Er klaut kein Essen, zerstört nichts und ist auch unproblematisch bei der Krallen- und Zahnpflege. Emil hat ein Problem mit Nähe und zieht sich viel zurück. Er ist sehr ballfreudig und schnell hoch aufgeregt. Leider ist er chronisch krank und sehr geräuschempfindlich.
Er wäre der Traum von einem Hund: Leichtführig, sehr große Bereitschaft alles Recht zu machen, großartig zu trainieren. Er liebt Gegenstandssuche, ist beim Klickern voll dabei, und mag Übungen ala Rallye Obedience - wenn man ruhig und ohne Druck übt. Draußen ohne Trigger kann er toll an der Leine laufen und ist aufmerksam. Da er mich bei einer Hundetrainerausbildung begleitet hat, bringt er ein großes Repertoire an Signalen mit: Doppelter Rückruf, Abbruchsignal, Entspannungsduft,… -das ist Dr. Jekyll. Wäre da nicht sein Problem mit der Schilddrüse oder was auch immer alles nicht ganz rund läuft.
Das „Dr. Jeckyll und Mr. Hyde Syndrom“ kennt zwei Seiten. Durch die Schilddrüsenunterfunktion ist er unglaublich schnell und leicht reizbar, übergeht Stufen der Warnung sofort, reagiert umgehend und ist in den Situationen mitunter nicht mehr ansprechbar, geschweige denn lernfähig – das ist ausgesprochen wichtig! Er will nicht, weil unerzogen, Rotzlöffel, etc, er KANN einfach nicht.
Er ist extrem feinfühlig und ist bereits gestresst, wenn man im Nebenraum leise mit sich selbst schimpft. Besuch toleriert er i.d.R. solange er in Ruhe gelassen wird, Für gewöhnlich zieht er sich nach der ersten Aufregung selbst zurück. Einzelne Männer mag er nicht, da kann man gut mit einem Ruheraum agieren. Frauen begrüßt er mitunter sogar. Kinder sind für ihn beängstigend.
Bei mir lebt er von Welpe an mit einer alten Hündin zusammen. Er beherrscht grundsätzlich das Sozialveralten, in Stress oder Erregungslage kann er es nur oft nicht gut abrufen. Eigentlich vermeidet er Konflikte, bringt sich aber selbst immer wieder in schwierige Situationen. Rüden mag er generell nicht im gleichen Haushalt, es gibt aber wenige Ausnahmen bei Kastraten. Katzen kennt er nicht im Haushalt, draußen werden sie gejagt.
Wegen seiner ausgeprägten Jagdmotivation und der oft nicht einschätzbaren Reaktion auf seine Umwelt, insbesondere Hunde, muss man davon ausgehen, ihn immer an der Leine führen zu müssen, situativ auch mit Maulkorb. Man kann mit ihm gut joggen gehen, am Rad mitlaufen mag er nicht.
Emil muss im Alltag sehr umsichtig geführt werden und es darf auf KEINEN Fall mit Druck, Strafe oder „harter“ Hand angeleitet werden. Überraschungen überfordern ihn, weswegen er im Siedlungsgebiet schwierig zu handeln ist. Auf weite Sicht, kann man gut mit Zeigen und Benennen arbeiten, sofern er nicht gerade eine sehr schlechte Phase hat. Es sollte ihm gestattet sein, auf die Couch zu gehen, wenn er tatsächlich die Nähe sucht, auch kann es sein, dass er ins Bett springt, wenn er Angst hat oder beim alleine bleiben. Was ihm hilft mit dem Leben klar zu kommen, sollte auch erlaubt werden. Er ist aber kein Kuschelhund und außer bei der Begrüßung mag er i.d.R. keinen Körperkontakt.
Aktuell wird Emil mit Schilddrüsentabletten und einem Antidepressivum substituiert. Da er auch immer wieder Probleme mit Gastritis hat, kann hier noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Tabletten in welcher Dosis zukünftig sinnvoll sind. Es ist eine chronische Krankheit, die deshalb auch regelmäßige Blutkontrollen und ggf. Anpassungen bedarf. Ich habe es in 4 Jahren nicht geschafft, ihn länger als wenige Monate stabil auf einem Level zu halten, deswegen möchte ich da auch Niemandem falsche Hoffnungen machen. Bei unserem Tierarzt ist Emil bei der Blutentnahme entspannt, schmerzhafte Behandlungen könnten hier aber durchaus Folgen haben. Man sollte mit Kosten von 100-200 € pro Monat kalkulieren. Da dies eine erhebliche Vermittlungshürde ist, wäre ich bereit, mich daran weiterhin zu beteiligen.
Mir ist bewusst, dass es schwierig wird für Emil das passende Zuhause zu finden. Aufgrund meiner Lebenssituation und inzwischen auch gesundheitlicher Probleme, bin ich inzwischen leider am Ende meiner Kräfte. Emil hat mit seinem Wesen nie in mein aktives Leben gepasst und nach vier Jahren Kampf sehe ich auch keine Hoffnung mehr für eine gemeinsame Zukunft. Ich weiß, dass es passendere Zuhause für Emil gibt und ich will es nicht unversucht lassen, ihm diese Chance zu ermöglichen. Er braucht ein reizarmes Umfeld, einfühlsame und geduldige Menschen, die ihn so nehmen , wie er ist. Fest Routinen und wenig Neues, eine ruhigen Rückzugsort und viel Schlaf. Ein kleiner eingezäunter Garten ist ausreichend und es sollten Sozialkontakte zu festen Hundefreunden aufgebaut werden.
Interessenten müssen Zeit einplanen, ihn zunächst in seinem gewohnten Umfeld kennen zu lernen.
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(kastriert)